In den grünen Weiten der Deichvorländer der Ems brüten noch immer stark gefährdete Wiesenvogelarten wie der Kiebitz, der Rotschenkel und die Uferschnepfe. Diese von den Gezeiten beeinflussten Gebiete zählen gemeinsam mit den Auen in den Unterläufen von Elbe und Weser zu den Hochburgen für Wiesenvögel in Niedersachsen. Vor diesem Hintergrund trafen sich Fachleute aus allen drei Regionen Niedersachsens zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch vor Ort.
Seit 2022 treffen sich die Gebietsbetreuer der Projektgebiete des LIFE IP Projekts GrassBirdHabitats regelmäßig in den verschiedenen norddeutschen Hotspots für Wiesenvögel. Auch im letzten Monat fand ein solches Treffen statt: Gastgeber war die Naturschutzstation Ems. Im Fokus des Erfahrungsaustauschs zu praktischen Aspekten der Gebietsbetreuung standen die EU-Vogelschutzgebiete V06 Rheiderland und V10 Emsmarschen zwischen Leer und Emden. Neben den Gebietsbetreuern waren Expertinnen und Experten aus den Naturschutzstationen Unterelbe, Dümmer und Fehntjer Tief des Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie weitere Mitarbeitende des regionalen Naturschutzes des NLWKN eingeladen. Sie diskutierten vor Ort über die verschiedenen Vorgehensweisen und Maßnahmen zum Wiesenvogelschutz in der Region.
Ein Exkursionsziel des Treffens war das Midlumer Deichvorland bei strahlendem Sonnenschein. Hier bot sich reichlich Gelegenheit zur Vogelbeobachtung. Die tidebeeinflussten Emsvorländer im Mündungsbereich der Ems beherbergen eine Vielzahl geschützter Lebensräume, wie Salzwiesen und Röhrichte. Sie bieten einer reichen Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten Lebensraum, welche speziell an den Übergang vom Fließ- zum Küstengewässer und die Tide angepasst sind.
In diesem Gebiet entwickelten sich konträre Diskussionen zu den Möglichkeiten des Wiesenvogelschutzes in den Vorländern der Ems. Die wasserwirtschaftliche Situation an der Ems und die damit verbundenen häufiger werdenden Überflutungen, die mit Verschlickung der Vorländer einhergehen, stellt den Wiesenvogelschutz vor besondere Herausforderungen. Hier konnten viele Erfahrungen aus Maßnahmen zum Wiesenvogelschutz auf den Vorländern von Elbe und Weser in die Diskussion möglicher Maßnahmen in den Emsvorländern einfließen.
Für den Wiesenvogelschutz in den Vorländern gibt es an der Ems Vorgaben, denn mit dem Bau der Meyerwerft in Papenburg wurden die naturschutzfachlichen Ziele für die Ems im Masterplan Ems 2050 festgelegt. Neben der Verbesserung der Wasserqualität der Ems und der Entwicklung ästuartypischer Lebensräume wurde auch der Vogelschutz als eines der Ziele definiert. Um die Brutvogelpopulationen in den Emsmarschen erhalten zu können, sollen bis zum Jahr 2050 ganze 200 Hektar für den Vogelschutz im Binnenland (hinter dem Emsdeich) ergänzt werden. Diese müssen zunächst mit öffentlichen Mitteln erworben und als Lebensraum für die gefiederten Bodenbrüter wieder hergerichtet werden – zum Teil auch als Ausgleich für die Entwicklung ästuartypischer Lebensräume zu Ungunsten von Wiesenvogellebensräumen.
Spannend wurde auch die Diskussion beim anschließenden Besuch des Rheiderlands, einer großräumigen durch Grünland geprägten Marschlandschaft westlich der Ems. Hier sind vor allem Maßnahmen gefragt, die zur Verbesserung der aktuell immer noch rückläufigen Bruterfolge beitragen können. Unter anderem wurden Möglichkeiten zur besseren Pflege von nassem Naturschutzgrünland und zur Wiederherstellung eines weithin offenen Landschaftsbildes diskutiert. Für einen effektiveren Schutz von brütenden Wiesenvögeln von Eier- und Küken-Dieben, wie Fuchs oder Marder, aber auch Bussard und weiteren Greifvogelarten sind diese Maßnahmen unerlässlich.
In einem waren sich alle Teilnehmer einig: Die Ziele des Wiesenvogelschutzes sind nur durch eine langfristige und verlässliche Gebietsbetreuung zu erreichen. Nur so kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Beteiligten vor Ort, wie der Land- und Wasserwirtschaft, der Jägerschaft sowie dem Verbands- und behördlichen Naturschutz aufgebaut werden. Gemeinschaftlich sollte die Bewirtschaftung je nach saisonalen Gegebenheiten optimal auf den Schutz der Wiesenvögel abgestimmt werden, um erforderliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Diese Betreuung kann am besten durch Naturschutzstationen vor Ort übernommen werden.